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PRESSESTIMMEN

REAKTIONEN

"Die Leiden des jungen Werther" überall umjubelt und gefeiert  ...

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LAHR - Werther tanzt zu Udo Jürgens

Goethes "Die Leiden des jungen Werther" aus dem Jahr 1774 zählt zu den Schlüsselromanen jener Epoche. Regisseur Tobias Rott hatte 2010 eine Bühnenfassung erarbeitet, die nun als neue Tourneeproduktion am Dienstag in Lahr Premiere gefeiert hat.

Lahr. Getrieben vom Überschwang einer frischen Liebe, tobt der junge Werther in olivgrünen Boxershorts über die Bühne. Benjamin Krüger verkörpert die Figur Goethes mit frischem Elan und Leidenschaft, lässt das Publikum mitleiden, während er sich immer tiefer in eine für ihn ausweglose Sackgasse manövriert. Er leidet, weil seine Leidenschaft für Lotte (Anna Oussankina) nicht erwidert wird. Lotte ist Albert (Peer Roggendorf) versprochen, den sie auch heiraten wird. Werthers Appell an die eigene Vernunft bringt nichts, er scheitert und es bleibt am Ende nur der Weg in den Selbstmord.

Johann Wolfgang von Goethes Briefroman ist ein Schlüsselwerk in der Epoche des "Sturm und Drang". Er hat sich mit dem Buch seinen eigenen Liebeskummer und den Selbstmord eines Freundes von der Seele geschrieben, seiner Romanfigur aber jeden Ausweg aus dem Dilemma verweigert.

Tobias Rott hat mit der nun von ihm selbst für die Theatergastspiele Fürth neu aufgelegten Fassung eine Gratwanderung zwischen Tradition und Moderne inszeniert. Der auf Briefen von Werther, Lotte und Albert basierende Text wurde gekürzt, aber kaum verändert. In einer kargen Kulisse blüht ein klassisches Sprechtheater auf, das ganz auf die Kraft der Worte setzt, auf das gestische Spiel der drei Akteure. Das Stück kommt trotzdem erstaunlich modern und mit subtilem Humor daher. Benjamin Krüger, gibt alles, stülpt das Innenleben des unglücklich verliebten Werthers nach außen. Er schreit und tobt, winselt wie ein Hund, flüchtet dann wieder in philosophische Ansätze. Peer Roggendorf hält ihm die von Vernunft geprägte Geisteshaltung eines verständnisvollen Freundes und liebenden Gatten entgegen, während Anna Oussankina eine leichtlebige, mit Werthers Gefühlen spielende Lotte verkörpert.

Die Chronologie der Ereignisse spiegelt sich in dem an die Wand gekritzelten Datums des gerade rezitierten Briefes wieder, Lotte verteilt, in Anlehnung an die Schlange im Paradies, immer wieder frisch geschälte Apfelstücke, tanzt mit Werther zu fröhlichen Schlagermelodien. Die Musik nimmt eine wichtige Rolle ein. Udo Jürgens untermalt peppige Momente, während Alexandras dunkle Stimme das Unglück heraufzubeschwören scheint. Am Ende kommen dann Beethoven und Schubert zu Wort, dessen Requiem durch die Lahrer Stadthalle hallt, während sich die sorgsam aufgebaute Spannung in der finalen Szene einer überzeugenden Inszenierung entlädt.

Lahrer Zeitung, Jürgen Haberer, 12.10.2017

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LAHR - Mit Jugendstil an den Sturm-und-Drang-Stoff schlechthin

Die Werther-Bühnenadaption aus Fürth spielt in Lahr mit den verschiedenen Ebenen von Phantasie und Szene, so dass der Grundcharakter des Briefromans erhalten bleibt.

Der Briefroman "Die Leiden des jungen Werther" von Johann Wolfgang von Goethe (1749 bis 1832) ist verschiedentlich für Bühne und Oper adaptiert worden. In einer neuen Fassung des jungen Regisseurs Tobias Rott hat das Meininger Theater 2010 den Stoff aufbereitet. Am Dienstag hatte nun eine Folgeinszenierung als Drei-Personenstück mit den Theatergastspielen Fürth in der Lahrer Stadthalle Premiere.

Bereits vor Einlass des Publikums macht sich der junge Werther, sehr überzeugend gespielt von Benjamin Krüger (geboren 1980), nur mit grüner Unterhose bekleidet stumm auf der Bühne zu schaffen, die in einem matten Mittelgrün gehalten ist und mit der Andeutung von Raum und Tür auskommt. Die Stellage dient als Kreidetafel zum Anschrieb der Daten, die den Verlauf der unglückseligen Liebesbeziehung zwischen Werther und der an Albert (siegesgewiss: Peer Roggendorf) vergebenen Lotte (mädchenhaft sicher: Anna Oussankina, geboren 1985) kennzeichnen. Gespielt wird in flottem Tempo, aber nicht überhastet, über 90 Minuten ohne Pause. Der Spannungsbogen hält. Die Inszenierung ist stark auf die Figuren zugeschnitten, die Requisiten, drei Farbeimer und ein Brett, das sowohl als Tür wie als Sitzbank dient, spärlich.

Ein wesentliches Stimmungselement bietet die Musikuntermalung, Elemente von der Klassik bis zur heutigen Popmusik finden sich, etwa aus dem Beginn des zweiten Satzes der siebten Sinfonie von Ludwig van Beethoven, das charakteristische Cellomotiv der Tonwiederholungen auf einem Ton wie ein Schicksalsmotiv. Außerdem das Lied "Wie schön, dass du geboren bist", von Udo Jürgens der Song "Ich weiß, was ich will" oder, als die Verzweiflung offenbar wird, das entsprechende Lied der Schlagersängerin Alexandra "Was ist das Ziel", am Ende dann eine Phrase aus Schuberts Requiem.

Bisweilen gibt es lange Monologe zu sprechen, alles lässt sich dann doch nicht in Szene setzen, insgesamt bleibt die Sprache nah am Originaltext. Zunächst vermittelt Krüger alias Werther sein Phantasiebild von Lotte, bis sie in der Tür im Blümchen-Kleid in Erscheinung tritt mit blondem langem Haar. So wie der Werther eine Wandlung durchmacht, von Verliebtheit über Rückzug bis in die völlige Verzweiflung und in den Tod, so macht auch die Lotte von Anna Oussankina eine Wandlung durch. Ist sie anfangs mädchenhaft, gibt sie sich an der Seite von Albert standhaft, und erst gegen Ende bahnt sich die Leidenschaft beschwörend in einem lange dauernden Abschiedskuss mit Werther die Bahn. Peer Roggendorf spielt souverän die Überlegenheit von Albert, der Werther zunächst die Freundschaft anbietet, auf ein Duell soll es nicht hinauslaufen. Vielmehr leiht sich Werther von Albert die Pistole, mit der er seinem Leben ein Ende setzen will.

Hier ist die Inszenierung raffiniert, denn das Erschießen bleibt dem Publikum szenisch erspart, es reicht, dass die Pistole an der Wand hängt. Die Regie von Tobias Rott ist auf die Charaktere angelegt und arbeitet den Spannungsbogen und die Wandlung sorgsam heraus. Auch spielt die Inszenierung mit den verschiedenen Ebenen von Phantasie und Szene, so dass der Grundcharakter des Briefromans erhalten bleibt. Die Besetzung mit jungen Schauspielern überzeugt ebenfalls. Viel Applaus.

Badische Zeitung, Susanne Ramm-Weber, 12.10.2017

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Bühl - Erfrischend jugendlicher Klassiker - Die Leiden des jungen Werther mit einem leidenschaftlichen Benjamin Krüger

Er rast, er tobt, er liebt und schwärmt: Benjamin Krüger in Tobias Rotts Inszenierung "Die Leiden des jungen Werther". Mit seiner unbändigen, leidenschaftlichen Darstellung schafft es der 1980 in Hannover geborene Schauspieler das Publikum am Mittwochabend im Bürgerhaus Neuer Markt in seinen Bann zu ziehen.

Nahezu nackt, nur in Boxershorts, zeigt er sich dem Publikum - gekleidet nur in seine emotionalen Monologe. So "tanzt" sich der verliebte Werther verzweifelt und liebestrunken durch 90 Minuten Schauspiel (ganz ohne Pause), in denen keine Sekunde Langeweile aufkommt. Benjamin Krüger präsentiert sich als Werther in absoluter Höchstform und spielt sich die Seele aus dem Leib.

Trotzdem ist die Bühnenfassung des Klassikers von Johann Wolfgang von Goethe, der 1774 erschienen ist, auf das zeitgenössische Publikum perfekt zugeschnitten. So beläßt Regisseur Rott die manchmal sperrige Sprache im Original und verteilt Werthers Sätze auf ihn selbst, die angebetete Lotte und ihren Verlobten Albert. Somit schafft er einen spielerischen Sprung über die Jahrhunderte, ohne Goethes Botschaft zu verfälschen. ... Die Bühnenfassung von Tobias Rott ist auch mit einer modernen Bühnenausstattung gesegnet. Nicht ein Körnchen des Jahrhunderte alten Staubs haftet an ihr. Die Bühne ist mit witzigen und liebevollen Ideen gespickt. So werden auf einer grünen Tafel immer die jeweiligen Tagesangaben mit krakeliger Schrift an die Wand gekritzelt. Alexandra Hahn (Bühne und Kostüme) hat es exzellent mit nur wenigen Mitteln geschafft ein zeitgemäßes Bühnenbild zu zaubern - mit nur einer grünen Wand und drei weißen Eimern. Viele Schüler, die wohl das progressive Theaterstück der etwas langatmigen Unterrichtslektüre vorgezogen hatten, wohnten dem dramatischen Ende des "jungen Werther" im Bürgerhaus Neuer Markt bei.

Bei allen Anreicherungen mit charmanten Komponenten - vom wechselnden Schuhwerk bis hin zum sündigen Apfelbiss  - bleibt der harte Kern von Goethes-Werk dennoch unverstellt erhalten. So stirbt Werther - unter intensiver Musikbeschallung, allein und unglücklich auf zwei Farbeimern stehend - im grellen Scheinwerferlicht. Moderner gehts kaum.

Badisches Tagblatt, Ursula Klopfer, 13.10.2017

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Schopfheim - Nach dem Kuss "auf ewig Lebwohl"

Das Meininger Theater spielte die "Leiden des jungen Werther" in einer sehr modernen Bühnenfassung in der Stadthalle.

Rasend vor Liebe, schier besessen von seinem Gefühlsrausch ist der Titelheld in Goethes Briefroman "Die Leiden des jungen Werther". In einer sehr modernen Bühnenversion des Meininger Theaters war dieser Klassiker um einen maßlos Liebenden nun zum Auftakt der Theaterreihe der Kulturkooperation in der Schopfheimer Stadthalle zu erleben: ein "Werther" für die junge Pop-Generation, frisch und erfrischend unkonventionell inszeniert.

Dieser Werther in Gestalt des jungen Schauspielers Benjamin Krüger ist immer noch ganz Sturm und Drang, glühend und brennend in seinen überspannten Emotionen, wie von Sinnen in seiner bald schwärmerisch hochfliegenden, bald tief verzweifelten Liebe zu Lotte. In der Inszenierung und Bearbeitung von Tobias Rott stürzt sich der Werther mit rückhaltloser, bedingungsloser Leidenschaft und stürmischem Überschwang in diese verhältnisvolle Liebe.

In der Anfangsszene tritt Benjamin Krüger als Werther fast nackt auf, trägt nur moosgrüne Boxershorts, ein junger Mann von heute, mit Dreitagebart, ungestüm und hitzig in seinen Gefühlsäußerungen, seiner Mimik und Gestik. Schwärmend, träumend, tanzend, taumelnd, tobend vor Liebeswahn und Liebessehnsucht und dann wieder abgründig verzweifelt in der Ausweglosigkeit: Benjamin Krüger schöpft alle Emotionen, alle Gefühlsaffekte dieser Figur intensiv aus. Das ist von großartiger, packender und eindringlicher schauspielerischer Empfindungskraft und Präsenz.

Der Werther, der später eine legere Hose, T-Shirt und Jacke trägt, spricht zwar originale Goethe-Sprache, doch er ist ein junger Mann unserer Zeit. Einer, der gegen alle gesellschaftlichen Konventionen und Zwänge handelt, denkt und spricht. Ein Rebell und eine tragische Figur zugleich. Die Fassung von Tobias Rott hält sich zwar sprachlich ans Original, doch die verhängnisvolle Geschichte um Werther, Lotte und ihren Mann Albert kommt in Optik, Figurenzeichnung, Bühnenbild, Regieeinfällen und Musik sehr gegenwärtig daher. Die Ausstattung ist karg, schlicht und reduziert auf grünliche Bühnenelemente, die als Hauskulisse mit Türöffnung dienen und als Wandtafeln, auf die die Protagonisten mit weißer Kreide Figuren, Blumen, ein Bücherregal oder den jeweiligen Tag des Geschehens zeichnen. Werther zeichnet, in seinem überbordenden Liebesaffekt, aus wenigen Kreidestrichen eine weibliche Figur: seine angebetete Lotte. Anna Oussankina verkörpert die Lotte als junge Frau von heute, mit langem blondem Haar, geblümtem Minirock, weißem T-Shirt und High Heels, die sie bald gegen Gummistiefel tauscht. Wenn sie mit dem heiß entflammten Werther eine leichtfüßige, ausgelassene Tanzeinlage hinlegt, könnte es ein junges Paar sein, das sich gerade in irgendeinem Club kennen gelernt hat.

Weiße Farbkübel werden wie Hocker hin und her geschoben und aufeinander getürmt. Und wenn Lotte eine Schale mit Äpfeln trägt, ständig Äpfel schält oder ihren Verlobten Albert mit Apfelschnitzen füttert, dann kommen einem symbolisch durchaus Eva, das verlorene Paradies und der Sündenfall in den Sinn. Anna Oussankinas Lotte hat einerseits etwas Verführerisches, Lebenslustiges, wenn sie so poppig mit Werther tanzt, andererseits etwas von einem hin und her gerissenen, aber bodenständigen Mädchen, das loyal zu seinem Verlobten und späteren Ehemann steht und den vor Liebesverlangen schier tollen Werther auffordert: "Mäßigen Sie sich!" Das krasse Gegenteil des Werther mit seinem zerrissenen Herzen und seiner schmerzlichen Empfindsamkeit ist Peer Roggendorf als Lottes Mann Albert: ein glatzköpfiger Hüne, ein pragmatischer Kerl, der gelassene Ruhe ausstrahlt und besitzergreifend den Arm um Lottes Schulter legt. Die unheilvolle Dreiecksbeziehung wird in dieser Neuinszenierung der Theatergastspiele Fürth, die erst vor wenigen Tagen Tourneepremiere hatte, immer wieder ironisch aufgebrochen und musikalisch aufgeladen, durch Schlager wie "Liebe, Lachen, Weinen", einen Popsong oder ein melancholisches Lied von Alexandra. Zunehmend verdüstert sich auch das Geschehen um Werther, den es schier zerreißt vor unerfüllbarer Liebe zu Lotte. Wenn Benjamin Krüger als verzweifelter Werther der heißgeliebten Lotte ein Blumenkleid überstreift, sie darin gleichsam wie in einem Korsett gefangen ist, und sich zu Werther hinab beugt, ihn küsst und er nach diesem Kuss mit einem "Auf ewig Lebwohl" verschwindet, ist das eine Szene von dramatischer und berührender Gefühlssymbolik. Den tödlichen Schuss hört man nicht, aber wenn Werther zum Schluss mit der Pistole in der Hand auf den Farbeimern steht, die Scheinwerfer im Dunkeln auf ihn gerichtet, wirkt das schon pathetisch überhöht. Ein kraftvolles Schlussbild nach einem sehr unkonventionellen, stark gespielten Theaterabend.

Badische Zeitung, Roswitha Frey, 17.10.2017

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Schopfheim - Bis an den Rand des Wahns

Eine beeindruckende Figurenstudie des jungen Werther zeigte Benjamin Krüger zur Saisoneröffnung in der Stadthalle in Goethes dramatisiertem Briefroman.

Lotte und Werther: Das könnte eine Liebesgeschichte von heute sein, die beiden könnten sich statt Briefe auch E-Mails schicken. 

Schopfheim. Aber so weit geht die Bühnenfassung von Goethes Briefroman „Die Leiden des jungen Werther“ , die nach einer Inszenierung des Meininger Theaters jetzt in der Stadthalle zu sehen war, denn doch nicht. 

Zwar tragen die Protagonisten Kleidung unserer Zeit – T-Shirt, lässige Hose und wechselndes Schuhwerk, aber die Sprache ist originaler Goethe. Ganz radikal modernisiert hat Tobias Rott seine Adaption der Prosa von Goethe nicht.

Was in den Kulturteilen schon seit Jahren kontrovers und bisweilen polemisch diskutiert wird, ist von den Spielplänen der Theater nicht mehr wegzudenken: Die Dramatisierung von Romanen. Immer neue Romane kommen auf die Bühne wie dieser „Werther“. Nicht alle dieser Bühneneinrichtungen in dem Genre Literaturtheater überzeugen und funktionieren so gut wie dieses Drei-Personen-Schauspiel. 

In Schopfheim erlebte ein sehr ausgedünntes Abo-Publikum – dass die Darsteller vor vielen leeren Rängen spielen mussten, war fast schon blamabel – einen wirklich gelungenen Versuch der Dramatisierung für die Bühne. 

Die Leiden des jungen Werther wurden als Theaterstück beinahe schon zu Gegenwartsdramatik. Das hängt zum einen mit der sparsamen, nüchternen Bühne (Alexandra Hahn) zusammen, eine moosgrüne Kulissenwand, ähnlich wie die Kleidung des Hauptdarstellers. Die Wände werden wie Schiefertafeln benutzt, um die Daten der Briefe mit Kreide hinzuschreiben. 

Zum anderen lag der gelungene Eindruck bei dem Hauptdarsteller Benjamin Krüger, der auf breiter Front überzeugte, wenn er sich die Seele aus dem Leib spielt. Krüger ist wirklich ein junger Wilder, mit unbändiger Energie, der sich in seinem Gefühlsleben verzehrt, in einer Verbindung von Weltschmerz und Wahnsinn, ein Mensch in seinem Widerspruch, der leidet und scheitert. 

Schlichtweg sensationell, wie er sowohl den Frühling als auch den Winter in der Natur und in Werthers Seele darstellt. Nicht nur, dass er wie ein Hund leidet an seiner unerfüllten Liebe zu Lotte – er schwärmt, glüht, liebt, tobt, verzweifelt, und das geht bis an den Rand des Wahns und Rauschs. 

Benjamin Krüger schreit seine Gefühle geradezu heraus in einer sehr intensiven Interpretation dieses jungen Mannes, der sich ständig mit Selbstmord beschäftigt und dann auch zur Pistole greift. Erschießt er sich wegen seiner unglücklichen Liebe zu Lotte? 

Hebbel urteilte über Werthers Selbstmord anders: Werther erschießt sich nicht, weil er Lotte, sondern weil er sich selbst verloren hat. Und genauso verkörpert Krüger diesen tragischen Sturm- und Drang-Helden. Darstellerisch beeindruckend, wie er alle Qualen und sein „inneres unbekanntes Toben“ voll und leidenschaftlich ausspielt; gleich zu Beginn, zu leisem Trauermarsch von Beethoven halbnackt, nur mit Boxershorts bekleidet, schmächtig gegenüber Albert, dem Verlobten von Lotte (ein Hüne dagegen: Peer Roggendorf), mit dem er ein Gespräch über Selbstmord führt. Dabei spricht dieser Werther so deutlich, kraftvoll und laut, dass er die neue Mikrofonanlage in der Stadthalle gar nicht nötig gehabt hätte.

Aufgelockert wird die Szene durch poppige, disko-hafte Tanzeinlagen zwischen Werther und Lotte (Anna Oussankina als „liebstes Geschöpf unter der Sonne“, mit kurzem Röckchen, Gummistiefeln, Blümchen malend und Apfel essend: eine sündige Metapher aus dem Paradies) sowie durch Schlagermusik von Alexandra bis Udo Jürgens.

Ergreifend, fast sakral, die Schlussszene in Werthers Todesstunde. 

Viel Beifall für eine überzeugende schauspielerische Leistung bei dieser modernen, jugendlich erfrischenden und flotten Klassiker-Inszenierung, die durchaus für ein junges Publikum geeignet war. 

Weiler Zeitung, Jürgen Scharf, 16.10.2017

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